Der Wandteppich von Bayeux

Das bekannteste „Monument“ aus der Zeit der  Normannen und der Angelsachsen ist sicher der Wandteppich von Bayeux. Er ist im eigens für ihn gebauten Musée de la Tapisserie de Bayeux, Centre Guillaume Le Conquérant, Rue de Nesmond, 14400 Bayeux/F zu besichtigen und ist unbedingt eine Reise wert!

Die Stickerei ist wunderbar und rätselhaft zugleich.

Wunderbar ist vor allem einmal die Tatsache, dass dieses doch ziemlich fragile Kunstwerk schon fast 950 Jahre mehr oder weniger unbeschadet überstanden hat. Beeindruckend sind auch die Farbenvielfalt und die Aussagekraft der sachlichen und menschlichen Darstellungen. „Weniger unbeschadet “ sage ich deshalb, weil nach neuzeitlichen Forschungen wahrscheinlich ein paar Meter des ursprünglichen Werkes fehlen.

Viele Leute glauben, der Wandteppich sei so eine Art „Illustrierte“ der damaligen Zeit und gebe die Ereignisse vor, während und nach der Eroberung von England mit den damaligen Mitteln so wieder, wie sie sich abgespielt haben. Dies ist aber ganz und gar nicht der Fall! Die wunderbare Stickerei ist Rechtfertigung für die normannische Eroberung von England, Propagandawerkzeug und Schmeichel- und Prestigeobjekt für Wilhelm den Eroberer und seinen Halbbruder Odo, Graf von Kent.
Die Franzosen nannten und nennen den „Tapis“ „La tapisserie de la reine Mathilde“. Damit einher geht die Vorstellung, Wilhelm’s Königin Mathilde habe den Teppich in Auftrag gegeben und teilweise gar mitgearbeitet. Die Vorstellung der Romantiker: Königin Mathilde mit tränenverquollenen Augen (von der Sehnsucht nach und der Angst um ihren Mann und vom Russ der Kerzen) sitzt mit einigen Hofdamen tage- und nächtelang an der Stickerei und arbeitet mit blutenden Fingern am monumentalen Werk!

Heute wissen wir es besser. Moderne Forschungen ergaben, dass der Teppich fast sicher in der berühmten Schule für kirchliche Stickerei in Canterbury/Kent/England erstellt wurde und zwar wahrscheinlich im Auftrag von Odo, dem Halbbruder von William dem Eroberer. Odo war Bischof von Bayeux und wurde nach der Eroberung von England auch Earl of Kent, jenem Landstrich, in dem auch Canterbury liegt. Man kann annehmen, dass Odo die Stickerei als Huldigung an seinen Bruder, aber auch für sein eigenes Prestige anfertigen liess. Die Stickerei wurde anlässlich der Einweihung des Domes von Bayeux 1077 das erste Mal öffentlich gezeigt, wo ihn möglicherweise auch Mathilde erstmals sah.

Der Teppich von Bayeux stellt die Ereignisse im Zusammenhang mit der normannischen Eroberung von England aus der normannischen Sicht dar. Viele Szenen sind zur Rechtfertigung der Invasion unwahr, übertrieben oder mindestens zurechtgebogen.
Schon der Anfang der Geschichte, wonach Harold Godwinson, noch als Graf von Wessex, zu Wilhelm gesegelt sein soll, um ihm den Treueeid als Nachfolger von Edward dem Bekenner zu schwören, hat sich wohl kaum so zugetragen. Die Rechtfertigung zur Invasion ergibt sich aus Sicht der Normannen jedoch genau aus diesem angeblichen Treueeid und dem Bruch dieses „heiligen Eides“ durch Harold.
Auf der anderen Seite kann man aus der Darstellungen auf dem Wandteppich viele interessante Details erkennen und lernen, wie zum Beispiel die Tatsache, dass Wilhelms Heer Reiter mit Steigbügeln (!) hatte, die Form der Waffen und Schilde usw. Auch erfahren wir viel über die Bekleidung jener Zeit und über die Art der Schiffe. Ganz klar wahr ist auch die Darstellung des „longhaired star“ in Szene 29; es trifft nämlich zu, dass der Halley’sche Komet im Frühjahr 1066 am Himmel erschien, wie auch aus alten Aufzeichnungen aus China und Japan ersichtlich ist.

Ich verzichte darauf, hier weitere Szenen des Teppichs zu kopieren und zu kommentieren. Auf dem Internet und in vielen Büchern gibt es mehr als genug Möglichkeiten, die Szenen des Teppichs (zB als Vorbereitung auf einen Besuch im Musée de la Tapisserie) zu studieren.