….die Flüsse hinauf

Es ist unbestritten, dass die Wikinger an den Küsten von England, des Frankenlandes, von Irland und im Mittelmeer wüteten. Sie plünderten aber auch zahlreiche Orte im Landesinnern, wie z.B. Paris und Auxerre an der Seine, oder Fleury an der Loire. Auf dem Rhein gelangten sie bis Xanten (863) und Köln (881). Im Jahr 844 plünderten sie unter anderem Lissabon und fuhren schliesslich in den Guadalquivir bis nach Sevilla und Cordoba. Der Emir Abd-ar-Rahman II von Cordoba stellte ihnen aber schliesslich eine Falle und hängte viele kurzerhand auf.

Wie aber gelangten sie an diese Orte im Landesinnern?  Auf ihren Schiffen? segelnd? rudernd? stachelnd? treidelnd? Oder stiegen sie doch auf Pferde um?
Ein bekannter und anerkannter Professor mit Spezialgebiet Kultur des mittelalterlichen Skandinavien liess sich an einem Vortrag an der Uni Zürich zur Bemerkung hinreissen, die Wikinger seien nie per Schiff die Flüsse hinauf gereist. Er hätte dies schliesslich mit einer Gruppe von Studenten ausprobiert und sie seien gescheitert. Ich dachte mir, heutige Wohlstandskinder seien wohl nicht massgebend als Vergleich mit den erfahrenen Wikingern, wenn auch unter den Studenten unserer Zeit durchaus gute Sportler sein können. Ich suchte also nach einem kompetenten Gesprächspartner in dieser Angelegenheit und schrieb an das Kommando der Genieschulen der Schweizer Armee. Diese Schule bildet die Pontoniere (Wasserfahrer) der Schweizer Armee aus. Der damalige Kdt der Genieschulen, Oberst M. Krucker, war sich nicht zu schade, mir persönlich Antwort auf mein seltsames Anliegen zu geben (Danke, Herr Oberst!). Er vermittelte mir den Kontakt zu Adj Uof U. Baumann, der gerade als Instruktor der Wasserfahrer in den Ruhestand getreten war. Baumann hat vielfältige Erfahrungen, da er auch wettkampfmässig bei verschiedenen europäischen Armeen Erfahrung gesammelt hatte. Bei einem Mittagessen erklärte mir U. Baumann die wesentlichen Punkte (vielen Dank  Herr Adj Uof a.D. Baumann!):

  • An den Unterläufen der Flüsse ist es gut möglich, per Schiff  hinaufzugelangen. Zum Teil drückt ja auch die Flut bis weit ins Landesinnere.
  • Es geht wohl kaum mit den grossen, stolzen Drachenschiffen; um einen Fluss hinaufzugelangen benötigt man kleinere, flachbödige Schiffe (wie sie z.B. die Schweizer Wasserfahrer in den Pontoniervereinen haben –>“Weidling“).
  • Die Strömung sollte nicht über 0,5 m/s betragen, sonst wird es schwierig. Die Routenwahl innerhalb des Flusses spielt auch noch eine Rolle, d.h. die Flussseite ist je nach Strömung, Wassertiefe  zu wechseln.

Ich behaupte nicht, ich hätte damit bewiesen, dass die Wikinger problemlos weit die Flüsse hinauf gelangten! Es ist mir auch klar, dass wir von den Unterläufen und vielleicht noch vom unteren Teil der Mittelläufe sprechen, die aufwärts befahren wurden. Auch weiss ich, dass die Wikinger und vor allem auch die Waräger in Russland die Schiffe teilweise zurückliessen und dann mit von den lokalen Bauern gestohlenen Pferden weiterzogen. Aber z.B. in die Belagerungen von Paris waren eindeutig Schiffe involviert (man hatte zur Abwehr Ketten durch den Fluss gespannt!).

Aber (und dies ist meine laienhafte Meinung): Vielleicht fanden die Wikinger auf den europäischen Flüssen ja auch anderweitige Fortbewegungsarten. Es gab auf vielen Flüssen schon im Mittelalter Treidelpfade. Vielleicht benutzten die Wikinger ja auch diese Möglichkeit, um über die Flüsse weit ins Landesinnere zu gelangen. Dies habe ich jedoch historisch nicht näher untersucht.