Weshalb siegten die Normannen?

Wie wir wissen, siegten die Normannen nach einem Kampf, der den ganzen Tag dauerte, nur sehr knapp. Um dies zu werten, müssen wir uns anschauen, wie die Kampftaktik der beiden Armeen aussah:

Die Angelsachsen als Verteidiger kämpften in der altbewährten Form des „Schildwalles“, engl. „Shieldwall“. Dies war eine statische aber sehr effektive Verteidigung, wie sie übrigens auch die Wikinger kannten und gerne anwandten. Dabei stand die verteidigende Armee Schild an Schild, die grossen Schilde in den Boden gerammt und mit dem ganzen Körper verankert. Mit der freien Hand wurde mit dem Schwert gehauen und gestochen. Aus der zweiten und dritten Reihe dieser Verteidigungsmauer wurde der durchbrechende Gegner mit langen Sperren   abgewehrt. Fiel ein Verteidiger in den vorderen Reihen, so rückte der hintere Kamerad nach. Einige wenige Bogenschützen versuchten im voraus beim anstürmenden Gegner Treffer anzubringen. Nur der Anführer und seine kleine Leibgarde waren zu Pferd um von hinten Befehle zu erteilen und bei Durchbrüchen einzugreifen.

Die Normannen wandten in der Schlacht bei Hastings nach den Schlachtbeschreibungen so etwas wie „Feuer und Bewegung“ an. Als Auftakt schossen hunderte von Schützen mit Langbögen mehrere Salven im direkten und indirekten Schuss auf die Verteidigungslinie und auch während des Tages wurden immer wieder Pfeilsalven geschossen. Dies war allerdings limitiert, denn der Verbrauch an Pfeilen war so natürlich immens und die Vorräte begrenzt. Die Angelsachsen schossen nämlich viel weniger Pfeile zurück, die dann von den Angreifern wieder verwendet werden konnten. Die Hauptangriffsmacht der Normannen war natürlich zu Fuss unterwegs, unterstützt von starken Gruppen von gut Bewaffneten zu Pferd.

Die Verteidigungsstellung von König Harolds Armee im heutigen Battle war überragend, um nicht zu sagen fast uneinnehmbar! Die zungenförmige Anhöhe benötigte auf der Kammlinie (auf der Grafik blau) etwa 850 Mann, bei acht Reihen also etwa 7000 Mann. Das Gelände war ziemlich stark ansteigend, die letzten 200 m der Angriffsrichtung haben einen Höhenunterschied von etwa 30 m, d.h. eine Steigung von 15 %.

Hastings Schlacht

Das Schlachtfeld, S Battle   Grafik: U. Pape

Die Normannen mussten also aufwärts kämpfen und sahen auf den letzten Metern den Schildwall über sich – ziemlich ungemütlich! So wogten denn auch die Kämpfe den ganzen Tag über hin und her. Ansturm folgte auf Ansturm von Fusstruppen und Reitern und es gelang den Angreifern kein wirklicher Durchbruch. Harold hatte seinen Kämpfern den strikten Befehl gegeben, den Schildwall nie zu verlassen und Lücken immer wieder zu schliessen – dies ist der Sinn des Schildwalls. Am Nachmittag passierte es dann: eine Reitergruppe von Wilhelms Angreifern ritt gegen die Verteidigungsstellung an und beim Rückzug stolperten und stürzten einige Reiter, vielleicht auch nur wegen Unsicherheit oder Verwundungen der Pferde. Als die Verteidiger dies sahen, stellten sie den Reitern nach und töteten einige wenige – eine kurzzeitige Lücke im Schildwall entstand, die aber wieder geschlossen wurde. Wilhelm beobachtete dies und machte sich das undisziplinierte Verhalten der Verteidiger zu Nutze. Er liess eine Reitergruppe einen Angriff mit anschliessendem Rückzug vortäuschen und stiess dann mit einer zweiten Gruppe in die Lücke, machte die Angelsachsen nieder und stiess in den Schildwall. Diese praktizierte er zuerst auf den linken Seite seiner Angriffsrichtung, später auch auf der anderen Seite. Die Seitenschenkel der Verteidigungsstellung waren ja nicht von überall einsehbar! So wurde die Verteidigung rasch von beiden Seiten aufgerissen – die Schlacht war gewonnen!

Die Schlacht von Hasting wurde also letztendlich trotz starker Verteidigungsstellung verloren, weil die Angelsachsen nicht diszipliniert genug waren und weil sich die Anführer offensichtlich  nicht durchsetzen konnten!